Instagram, Hyaluron & Gesetz: Warum Vorher-Nachher-Bilder rechtlich problematisch sind


Ästhetische Medizin im Zeitalter der Selbstvermarktung


In der Welt der sozialen Medien hat sich die ästhetische Medizin zu einem zentralen Element digitaler Selbstinszenierung entwickelt. Plattformen wie Instagram oder TikTok sind längst nicht mehr nur Kommunikationskanäle – sie sind Schaufenster für Beauty-Behandlungen, Testimonials in Echtzeit und oft auch das erste Mittel zur Kundengewinnung. Besonders beliebt: Vorher-Nachher-Bilder, die eine beeindruckende Metamorphose zeigen sollen – von "unscheinbar" zu "perfekt", von "natürlich" zu "ästhetisch optimiert".

Doch was für viele Nutzer:innen als harmlose Werbung erscheint, kann rechtlich hochproblematisch sein – vor allem, wenn es um medizinisch nicht indizierte, ästhetische Eingriffe geht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies kürzlich in einem wegweisenden Urteil bekräftigt: Das Bewerben solcher Behandlungen mit Vorher-Nachher-Bildern ist in vielen Fällen nicht erlaubt. Grundlage dafür ist das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das klare Grenzen zieht – und das aus gutem Grund.


Vorher-Nachher-Bilder: Zwischen Information und Irreführung

Vorher-Nachher-Bilder haben eine starke emotionale Wirkung. Sie suggerieren ein sofort sichtbares Ergebnis, versprechen Transformation und erzeugen – bewusst oder unbewusst – ein Idealbild, das bei potenziellen Kunden Erwartungen und Handlungsimpulse auslösen kann. Genau hier liegt das Problem: Solche Darstellungen können manipulativ sein, insbesondere bei medizinisch nicht notwendigen Eingriffen.

Der Gesetzgeber hat diesen Effekt erkannt und bereits seit Jahren durch das HWG reglementiert. Doch die digitale Selbstdarstellung von Ärzt:innen, Schönheitsinstituten und medizinisch-ästhetischen Dienstleistern hat die Grenzen der bisherigen Rechtsanwendung herausgefordert. In sozialen Netzwerken vermischen sich Werbung, Information, Selbstdarstellung und Patientenaufklärung – oft bewusst diffus gehalten, um rechtliche Graubereiche auszunutzen.


Was sagt das Heilmittelwerbegesetz?

Das HWG ist in Deutschland das zentrale Gesetz zur Regelung der Werbung im medizinischen Bereich. Es schützt Verbraucher:innen vor irreführender oder unangemessener Gesundheitswerbung – mit besonderem Fokus auf die Bedürfnisse medizinischer Laien.

Konkret ist für Vorher-Nachher-Darstellungen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG relevant. Dort heißt es:

„Unzulässig ist eine Werbung mit bildlichen Darstellungen von Vorher-Nachher-Zuständen bei operativen plastisch-chirurgischen Eingriffen, die nicht medizinisch indiziert sind.“

Diese Vorschrift untersagt die bildhafte Darstellung von Ergebnissen solcher Eingriffe, sofern keine medizinische Notwendigkeit besteht – etwa bei reinen Schönheitskorrekturen, wie Lippenaufspritzungen, Nasenverfeinerungen oder Faltenunterspritzungen mit Hyaluronsäure.


Worum geht es rechtlich genau?

Im Zentrum steht die Frage: Wann ist ein Eingriff "operativ plastisch-chirurgisch" im Sinne des Gesetzes? Und: Wie weit reicht das Werbeverbot bei modernen, minimalinvasiven Methoden?

Viele Anbieter argumentieren, dass sie keine operativen Eingriffe im klassischen Sinne vornehmen. Die Rede ist oft von „sanften Methoden“, „minimalinvasiv“, „ohne Skalpell“, „ambulant“ oder gar „wie Ohrlochstechen“. Tatsächlich kommen oft lediglich Kanülen zum Einsatz, mit denen Hyaluron unter die Haut gespritzt wird.

Doch die Rechtsprechung – insbesondere die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs – legt den Begriff des "operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs" weit aus. Maßgeblich ist nicht, ob geschnitten wird, sondern ob mit einem Instrument in den Körper eingegriffen wird, um seine äußere Form oder Gestalt zu verändern. In der Folge gelten auch Injektionen mit Hyaluronsäure – obwohl nicht operativ im herkömmlichen Sinn – als vom HWG erfasst.


Warum dieses Verbot? – Der Schutzgedanke des Gesetzgebers

Der Grundgedanke hinter dem Verbot ist einfach, aber wirkungsvoll: Verbraucher sollen nicht durch idealisierte Bilder zu risikobehafteten, medizinisch nicht notwendigen Eingriffen verleitet werden.

Gerade bei plastisch-ästhetischen Maßnahmen ohne medizinische Indikation ist die Gefahr groß, dass die Werbung emotionale Erwartungen weckt, die mit der Realität nicht übereinstimmen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass gerade bildhafte Darstellungen ein besonders suggestives Potenzial entfalten – insbesondere in einem Medium, das durch Schnelllebigkeit, Trends und algorithmisch verstärkte Ästhetik geprägt ist.

Vorher-Nachher-Bilder lassen oft nicht erkennen, wie aufwendig, riskant oder kurzlebig das erzielte Ergebnis ist. Risiken wie Schwellungen, Asymmetrien oder allergische Reaktionen werden kaum dargestellt. So entsteht ein Zerrbild, das potenziell irreführend ist – besonders für jüngere Zielgruppen oder Menschen mit psychisch bedingten Körperwahrnehmungsstörungen.



Information oder Werbung? – Eine schwierige Trennlinie

Ein weiteres juristisches Kernproblem ist die Unterscheidung zwischen Werbung und sachlicher Information. Viele Anbieter argumentieren, sie klärten lediglich über Behandlungen auf, informierten transparent über Methoden, Wirkstoffe und Resultate. Doch wo endet sachliche Information – und wo beginnt suggestive Werbung?

Die Gerichte stellen klar: Die Einordnung hängt vom Gesamteindruck ab. Sobald eine Darstellung emotionalisiert, idealisiert oder auf Kundenakquise ausgelegt ist, liegt in der Regel Werbung vor. Selbst dann, wenn medizinische Aufklärung suggeriert wird.

Das bedeutet: Auch wenn ein Arzt oder eine Ärztin auf Instagram über eine Methode informiert, dabei aber mit starken visuellen Kontrasten, Effekten oder Erfolgsversprechen arbeitet, kann dies als Werbung gewertet werden – mit entsprechenden rechtlichen Folgen.


Wen betrifft das Verbot?

Das Werbeverbot gilt gegenüber Laien – also gegenüber Personen, die keine medizinische Fachausbildung haben. Damit fallen so gut wie alle Inhalte auf öffentlich zugänglichen Social-Media-Plattformen oder Websites unter diese Regelung.

Das Verbot betrifft zudem sämtliche nicht medizinisch indizierten plastisch-ästhetischen Eingriffe – unabhängig davon, ob sie chirurgisch, injektiv oder apparativ erfolgen. Dazu zählen unter anderem:

  • Hyaluronsäure-Unterspritzungen
  • Lippenmodellierungen
  • Nasenkorrekturen ohne OP
  • Wangenaufbau
  • Hautstraffungen mittels Laser oder Radiofrequenz (wenn nicht medizinisch notwendig)


Was ist noch erlaubt?

Trotz des Verbots von Vorher-Nachher-Bildern gibt es Möglichkeiten, seriös über ästhetische Behandlungen zu informieren – etwa durch:

  • Textbasierte Erläuterungen zu Methoden, Risiken und Alternativen
  • Aufklärungsinhalte auf der Praxiswebsite oder in Patient:innenbroschüren
  • Neutral gehaltene Videos über den Ablauf einer Behandlung (ohne Erfolgsgarantien oder Bildvergleiche)
  • Berichte aus Fachmedien oder Patienteninterviews, wenn sie nicht werblich zugespitzt sind

Wichtig ist stets, dass die Darstellung zurückhaltend, sachlich und nicht emotional aufgeladen erfolgt – und dass keine Erwartung geweckt wird, die medizinisch oder rechtlich nicht haltbar ist.


Fazit: Klarheit für Anbieter – Schutz für Verbraucher

Das Urteil des Bundesgerichtshofs setzt ein klares Zeichen: Die rechtliche Grauzone in der ästhetischen Social-Media-Werbung wird enger. Anbieter müssen sich künftig noch stärker an den Vorgaben des HWG orientieren und ihre Kommunikation kritisch hinterfragen.

Für Verbraucher ist das ein wichtiger Schutzmechanismus: Er verhindert, dass emotionale Bildwelten als Aufklärung getarnt zu unüberlegten Eingriffen verleiten – und sorgt dafür, dass medizinische Entscheidungen auf Basis von Fakten und nicht von Filtern getroffen werden.

Wer als Anbieter weiterhin erfolgreich werben will, sollte sich nicht auf „ästhetisches Storytelling“ verlassen, sondern auf juristisch fundierte Kommunikation setzen – seriös, transparent und gesetzeskonform.